Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt
Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt
Was bedeutet das heute, mitten im Lockdown? Jeder von uns ist unterschiedlich betroffen. Je nach dem in welcher Branche wir tätig sind, wie sehr man es gewohnt ist, kreativ mit Herausforderungen umzugehen, wie es um die eigenen Gesundheit bestellt ist.
Was es für mich bedeutet:
Still werden und den Kirschbaum vor meinem Fenster anschauen.
Im letzten Jahr hat mein Körper entschieden, eine Notbremsung einzulegen. Pünktlich zum Lockdown war ich noch nicht einmal mehr in der Lage, mir allein meine Socken anzuziehen. Ich bewegte mich wie in Zeitlupe und meine Gefühle waren außer Rand und Band. Ich dachte, ich wache am nächsten Morgen auf und bin gelähmt.
Alle bewährten Strategien halfen nichts. Kein Manifestieren, kein „ich wünsch mir was“, kein „Ich mach´s halt anders.“ Musik und humorvolle Videos schenkten mir Abwechslung. Die Hilfe anderer brachte kurzfristig Trost. Ich verbrachte Stunden und Monate auf meiner Couch mit Blick auf den Kirschbaum.
Völlig unbemerkt wurde ich zu seiner Zuhörerin und ich lernte von seiner Geschichte:
Er hat es nicht eilig. Er steht dort und wächst. Er zieht seine Nahrung aus der Erde. Er blüht, wenn es soweit ist, trägt Früchte, wenn es soweit ist. Lässt los, wenn es soweit ist. Treibt aus wenn es soweit ist. Er kennt die Zyklen eines Jahres, aber keinen menschlichen Kalender. Vögel mögen seine Früchte. Früchte, die nicht geerntet werden, wirft er ab.
Er macht keine Werbung. Er braucht keine Anerkennung. Die Vögel kommen trotzdem zu ihm und holen sich seine Früchte. Einfach weil er da ist in seiner Präsenz, in seiner Größe. Sein Stamm ist stark und kraftvoll, seine Äste sind flexibel. Wenn es stürmt, kämpft er nicht, er ist. Wenn es regnet, jammert er nicht, er ist.
In dieser Stille zeigte sich meine Kreativität neu.
Ich war es gewohnt, mir Dinge von der Seele zu schreiben und zu malen. Ich war es gewohnt, Klarheit zu schaffen, in dem ich aufräume, umräume, ausmiste. All das ging nicht. In der Stille fand ich die offenen Türen. Als es ruhig in mir geworden war, erkannte ich die Möglichkeiten:
Ok, ich kann nicht schreiben, aber ich kann sprechen. Mein Handy hat eine Diktierfunktion. Also fing ich an, zu reden, während die Technik für mich schrieb.
Ok, ich kann nicht malen, aber ich kann einen Stift halten und vielleicht kann ich einen Strich ziehen. Also begann ich mit den Strichen und beobachtete, wie aus ihnen Buchstaben wurden und Wörter und Tassen.
Ok, ich kann nicht zu Hause Ordnung schaffen mit meinem Körper, aber ich kann mit meinem Geist aufräumen. (Danke, für diese Idee, liebe Heike an dieser Stelle). Also ging ich in meiner Vorstellung durch unsere Wohnung und machte sie schön.
Die körperlichen Einschränkungen wurden immer unbedeutender. Die Zeit in der Stille dafür um so heiliger. Ich kam nach Hause. An einen Ort, an dem es friedlich war. Einen Ort, an dem nichts eine Meinung hatte, nichts etwas bedeutete, an dem keine Forderungen existierten, kein Zeitdruck und keine Angst.
Es ist der Ort, an den ich immer wieder zurückkehre, wenn ich denke, die Welt oder meine Welt sollte anders sein. Ich lege meine Hand aufs Herz und atme. Ich erinnere mich an den Kirschbaum und seine friedliche Stille. Egal, was geschieht.
An welcher Stelle in deinem Leben du auch gerade stehen magst: Ich wünsche dir aus ganzem Herzen viele Augenblicke dieser friedlichen Stille.
Dies ist ein Beitrag zur Blogparade “Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt” von Technikelfe Sara Menzel-Berger